Die allermeisten Auseinandersetzungen beruhen auf egoistischen Verteilungskonflikten – auf geopolitischer Ebene wie auch im Kleinen. Da bildet die Klimakrise keine Ausnahme. Auch hier geht es letztlich um einen Konflikt, ökologisch vertretbare und wissenschaftlich geforderte maximale Emissionsvolumen betreffend. Staaten die am meisten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, historisch jedoch am wenigsten dazu beigetragen haben, fordern immer lauter Klimagerechtigkeit – mit Recht. Industrienationen hingegen verlangen, gewohnt selbstgerecht, ihr weitestgehend noch fossil basiertes Wirtschaftsmodell fortsetzen zu wollen. Warum? Man scheut Investitionen in die Transformation der Wirtschaft bzw. deren Produktionsprozesse und fürchtet Profiteinbußen bzw. Nachteile gegenüber Mitbewerbern. Klimagerechtigkeit? Fehlanzeige! Wie kann man dieses Verteilungsproblem am effektivsten und gerechtesten lösen?
Warum die Politik, die Industrie und wir als Gesellschaft es nicht hinkriegen
Unternehmen haben ein primäres Interesse an Wachstum und Profit, nicht vorrangig an Klimaschutz. Sie werden von keinem Unternehmer verlangen können, altruistisch in Dinge zu investieren, die wirtschaftlich zunächst nachteilig sind. Bürger der Industrienationen wollen ihren Wohlstand mindestens erhalten oder besser noch steigern. Bürger in Entwicklungsländern wollen verständlicherweise aufholen und auch endlich einen größeren Anteil am weltweiten Wohlstand erreichen. Die systembedingt opportun handelnde Politik kann bei ihren Entscheidungen nie nur die reine Problemlösung im Blick haben, weil sie versucht gleichzeitig ihre Wiederwahl zu sichern. Politiker also dafür zu kritisieren, dass sie den politischen Prozess im Blick haben, wäre naiv. Sie sind auf Massenloyalität angewiesen und müssen neben Sachproblemen auch politische Probleme lösen. Das kurzfristige Denken in Legislaturperioden ist systemimmanent. Und selbst auf internationaler Ebene, wie etwa dem letzten Weltklimagipfel, spielen immer noch nationale Interessen eine weitaus größere Rolle, als endlich global das richtige kollektive Handeln zu beschließen. Mehr als ein unbedeutender Minimalkonsens wurde wieder nicht erreicht.
So ernüchternd es klingt, unsere Gesellschaft ist voller Zielkonflikte aus Egoismus, Eigennützigkeit und Machtinteressen. Eines haben wir jedoch alle gemein – niemand, der bei Verstand ist, kann wirklich den ungebremsten Klimawandel wollen.
Verantwortung auch für kommende Generationen
Es ist wichtig, die Lösung des Problems von all diesen unterschiedlichen, teils kurzfristigen Partikularinteressen zu entkoppeln und ein System zu etablieren, das, nach dem Verursacherprinzip, die kleinste Einheit am Markt berücksichtigt, nämlich den Konsumenten mit seiner enormen Steuerungswirkung. Ein System, das die Macht und das Steuerungspotential für Klimaschutz komplett in die Verantwortung aller Bürger legt und in dem marktwirtschaftliche Gesetze im Einklang mit ökologischer Nachhaltigkeit funktionieren.
Umweltzerstörung bedroht alle Menschen, also darf der Einzelne nicht nach Belieben über die Natur verfügen. Mit dem CO2-Verbrauch verhält es sich prinzipiell ähnlich wie mit dem Wohlstand – wir haben ein Verteilungsproblem. Es bleibt eine Herausforderung, innerhalb unserer hoch leistungsfähigen Wirtschaft den Klimagas-Ausstoß zu senken, Wohlstand gerecht zu verteilen und trotzdem – oder gerade deshalb -Lebensformen stabil zu halten. Die Herausforderung besteht darin, den unterschiedlichen Akteuren zu vermitteln, dass die Umstellung auf Erneuerbare Energien aus Industrieperspektive keine Störung, sondern eine Bedingung des Überlebens ist, und dass Ökonomie und Ökologie keine Gegensätze sind, sondern zwei komplementäre Seiten der gleichen Medaille.
Die voranschreitende Klimakrise manifestiert sich auch in einem Akzeptanzproblem
Einem Akzeptanzproblem auf Seiten von Bürgern und Industrie, und der Politik als hilflosem Spielball zwischen diesen Lagern.
Die Industrie will keine zusätzlichen Aufwendungen für Klimaschutz. Man fürchtet, durch die Verteuerungen der Produkte durch ordnungsrechtliche Maßnahmen wie z.B. den Europäischen Emissionzertifikatehandel oder die CO2 Steuer, bzw. durch die Investitionskosten für die Transformation der Herstellungsprozesse um die eigene Wettbewerbsfähigkeit - vor allem auch im internationalen Kontext. Zudem machen es die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive , CSRD) der Industrie zusätzlich schwier. Denn ein enorm aufwendiges Bürokratiemonster wurde von der Leine gelassen.
Und wir Bürger?
Die meisten sind zwar grundsätzlich für Klimaschutz aber nur so lange die Maßnahmen nicht die persönliche Komfortzone oder das eigene Portemonnaie betreffen. Denn dann schwindet die Zustimmung für beschlossene Maßnahmen schnell. Zur Wahrheit zählt auch: uns Bürgern fehlt es an ausreichend klimafreundlichen Konsum- und Mobilitätsalternativen. Appelle an Einschränkung und Verzicht sind überdies höchst unpopulär.
Politik hingegen ist immer von einer gut funktionierenden Wirtschaft abhängig.
Außerdem ist man auf breite Zustimmung aus der Bevölkerung angewiesen, will man wiedergewählt werden. So denkt man vorwiegend in Legislaturperioden und fokussiert sich auf kurzfristige Themen. Deshalb sind von der demokratischen Politik keine wirkungsvollen Steuerungsimpulse im Sinne wissenschaftlicher Empfehlungen zu erwarten.
Die Folge:
Je stärker sich die Klimakrise verschärft, desto mehr wird die Wissenschaft dahinter diskreditiert. Dafür gibt es durchaus nachvollziehbare Gründe: Die Daten sind schlicht ein Dorn im Auge. Sie verlangen nach politischen Antworten und man weiß, dass man diese nicht liefern kann, bzw. einer faktenbasierten Debatte nicht standhält. Also leugnet man die Klimakrise nach dem Motto: es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Auszug aus dem Wahlprogramm der AFD:
"Die Klimaschutzpolitik beruht auf hypothetischen Klima-Modellen basierend auf computergestützten Simulationen des IPCC („Weltklimarat“). (...) Hierzu beruft man sich auf Computermodelle, deren Aussagen durch Messungen oder Beobachtungen nicht bestätigt werden. (...) Die AfD (...) macht Schluss mit der "Klimaschutzpolitik" und mit den Plänen zur Dekarbonisierung und
"Transformation der Gesellschaft".
Auch der jüngste Vorschlag der FDP, das Umweltbundesamt abzuschaffen und damit offenbar den organisierten Umweltschutz abwickeln, macht fassungslos: Der ehemalige FDP-Justizminister Marco Buschmann sprach von einer "staatlich finanzierten Aktivistengruppe" und übernimmt damit fast 1:1 die Sprache der AfD oder Trump in den USA.
Und die CSU treibt mit ihrer kategorischen Verweigerungshaltung, in irgendeiner Form mit den Grünen zusammenzuarbeiten, die Realitätsverweigerung auf die Spitze.
Stellt sich die Frage:
Wie gedenkt wohl eine Regierung für die Wähler die Tatsache schlüssig zu verargumentieren, dass 2030 eklatante Strafzahlungen in Milliardenhöhe drohen, wenn die Klimaziele gerissen werden. Oder erwägt eine künftige Regierung vielleicht nicht nur alle klimapolitisch relevanten Maßnahmen zusammenzustreichen, sondern gleich ganz aus den völkerrechtlichen Abkommen auszusteigen, a la Trump? Oder überlässt man das Problem mit den Strafzahlungen einfach der Nachfolgeregierung, die sich dann mit einem noch maroderen Haushalt rumschlagen kann, was den Rechtsruck weiter anheizen dürfte?
"All dies sind systembedingte Probleme, die nach einer systemischen Lösung verlangen.
Da hilft ein bisschen Kurskorrektur nicht.
Wir müssen einen ganz anderen Weg einschlagen."
Diese könnte darin bestehen den Emissionshandel auf die Bürgerebene zu verlagern und das Steuerungspotential der großen Anzahl von Millionen Konsumenten zu nutzen. Denn durch das begrenzte Kontingent an Emissionen werden automatisch klimafreundliche Waren und Dienstleistungen bevorzugt. Das veränderte Kaufverhalten wird die grüne Transformation der Industrie beschleunigen, so dass sehr viel schneller ausreichend klimaneutrale Konsum- und Mobilitätsalternativen zur Verfügung stehen werden, als durch die unzureichenden ordnungspolitischen Regularien.
Mit dem Modell der Klimawährung ECO beschreibt die NGO für nachhaltige Ökonomie, wie solch ein emergentes Emissionsmanagementsystem initial auf EU-Ebene umgesetzt werden könnte.
Dies ist ein Beitrag des Blogs ECOlogisch der Klimaschutz NPO Saveclimate.Earth - Organisation für nachhaltige Ökonomie.